Was passiert, wenn der Strom ausfällt, das Wasser knapp wird oder eine Evakuierung ansteht? Für viele ist das eine unbequeme Vorstellung. Für Menschen mit Handicap kann es eine existentielle Bedrohung sein. Prepping – also die Vorbereitung auf Notlagen – ist für sie nicht bloß ein Hobby oder eine Option, sondern oft eine Notwendigkeit.
Doch wie funktioniert Krisenvorsorge, wenn man nicht alles selbst tragen kann, auf Medikamente angewiesen ist oder im Rollstuhl sitzt? Und wie lässt sich Barrierefreiheit auch im Prepping mitdenken?
Prepping wird in den Medien oft mit Outdoor-Rucksäcken, Tarnjacken und Waldlagerfeuern verbunden. Aber nicht jeder Mensch kann stundenlange Märsche bewältigen oder schwere Lasten schultern. Viele leben mit körperlichen Einschränkungen, chronischen Krankheiten oder Sinnesbehinderungen. Sie alle haben im Ernstfall die gleichen Grundbedürfnisse – Sicherheit, Nahrung, Wasser, medizinische Versorgung – aber oft zusätzliche Hürden.
Gerade deshalb ist es so entscheidend, dass Prepping nicht exklusiv, sondern inklusiv gedacht wird. Krisenvorsorge muss für alle Menschen machbar sein.
Besondere Herausforderungen
Menschen mit Handicap haben nicht nur die gleichen Probleme wie alle anderen, sondern zusätzliche:
- Mobilität: Treppenhäuser ohne Aufzug, unwegsames Gelände oder schwere Türen können zu echten Barrieren werden.
- Medizinische Versorgung: Medikamente, Strom für Geräte, regelmäßige Behandlungen – all das ist in Krisenzeiten unsicherer.
- Communication: Wer schlecht hört oder sieht, hat in einer chaotischen Lage noch größere Schwierigkeiten, Informationen zu bekommen.
- Abhängigkeit: Viele sind stärker auf Hilfe von anderen angewiesen.
Diese Punkte klingen ernüchternd, aber sie sind lösbar – mit Planung, Kreativität und gegenseitiger Unterstützung.
Praktischer Nutzen von barrierefreiem Prepping
Warum lohnt es sich, gerade hier gezielt vorzubereiten? Ganz einfach: weil es Leben retten kann. Ein funktionierender Plan nimmt Angst und schafft Sicherheit. Er gibt nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch Angehörigen und Helfern Orientierung.
Ein Beispiel: Wer im Rollstuhl lebt, kann in einem mehrstöckigen Haus bei Stromausfall schnell gefangen sein. Wenn es aber vorher einen klaren Plan gibt – etwa mit Nachbarn, die im Notfall tragen oder spezielle Rettungshilfen nutzen –, wird aus einer lebensgefährlichen Lage eine kontrollierbare.
Schritte zur barrierefreien Krisenvorsorge
- Analyse der persönlichen Situation
Nicht jeder Mensch mit Handicap braucht dasselbe. Der erste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme:
- Welche Hilfsmittel brauche ich täglich?
- Welche Medikamente sind unverzichtbar?
- Welche Wege oder Räume sind für mich schwierig?
- Welche Personen könnte ich im Ernstfall um Hilfe bitten?
- Individuelle Vorräte anlegen
Neben den klassischen Vorräten (Wasser, Lebensmittel) sollten persönliche Bedürfnisse berücksichtigt werden:
- Medikamente (sofern möglich mit ärztlicher Absprache auf Vorrat)
- Ersatzteile und Batterien für Hilfsmittel
- Barrierefreie Verpackungen (leicht zu öffnen, gut beschriftet)
- Stromversorgung sichern
Viele Menschen mit Handicap sind auf Geräte angewiesen – Beatmungsgeräte, elektrische Rollstühle, Hörgeräte-Ladegeräte. Hier sind Notstromlösungen entscheidend:
- Powerbanks und Solarpanels
- Kleine Generatoren (sicher gelagert)
- Strategien für Geräte, die ohne Strom weiterlaufen können
- Netzwerk aufbauen
Kein Mensch ist im Ernstfall allein stark genug. Gerade für Menschen mit Einschränkungen ist ein soziales Netz der wichtigste Schutz: Familie, Nachbarn, Freunde, lokale Gruppen. Absprachen helfen, Missverständnisse im Ernstfall zu vermeiden.
Tabelle: Typische Bedürfnisse und mögliche Lösungen
| Handicap / Einschränkung | Typisches Problem im Krisenfall | Mögliche Lösung |
| Rollstuhlnutzer | Evakuierung in oberen Stockwerken | Rettungstuch, Helferplan, barrierefreie Unterkunft vorher prüfen |
| Hörbehinderung | Notfallmeldungen über Sirenen nicht hörbar | Vibrationswecker, Lichtsignale, Apps mit Warnmeldungen |
| Sehbehinderung | Orientierung im Dunkeln | Markierungen an Möbeln, akustische Hilfen, Taschenlampe mit Sprachfunktion |
| Chronische Erkrankungen | Medikamentenmangel | Vorrat, Kühllösungen, Absprache mit Arzt |
| Eingeschränkte Handkraft | Schwierige Verpackungen | Vorräte in leicht zu öffnenden Behältern, Dosen mit Ringlasche |
Zwei Listen für den Alltag
Liste 1: Barrierefreie Vorräte
- Wasser in Flaschen, die sich leicht öffnen lassen
- Fertiggerichte, die ohne große Kraftaufwendung zuzubereiten sind
- Medizinische Notfallbox mit klarer Beschriftung
- Ersatzbrillen oder Hörgerätebatterien
- Kleine Hilfsmittel wie Greifzangen oder Flaschenöffner
Liste 2: Notfallnetzwerk aufbauen
- Vertrauenspersonen benennen (Nachbarn, Freunde, Angehörige)
- Telefonnummern und Adressen ausgedruckt bereithalten
- Klare Signale vereinbaren (z. B. Lichtzeichen, Klopfzeichen)
- Regelmäßige Gespräche führen, um Pläne aktuell zu halten
Realistische Beispiele
- Fall 1: Stromausfall und Beatmungsgerät
Ein junger Mann mit Muskelerkrankung berichtet, dass er ein tragbares Akkugerät angeschafft hat. „Früher hatte ich Panik bei jedem Gewitter. Heute weiß ich: Ich habe mindestens 12 Stunden Reserve.“ - Fall 2: Rollstuhlfahrerin im Hochhaus
Eine Frau erzählte mir, dass sie mit Nachbarn eine Vereinbarung getroffen hat: Zwei von ihnen sind bereit, sie im Notfall die Treppen hinunterzutragen. Sie üben das sogar ein- bis zweimal im Jahr.
Diese Beispiele zeigen: Vorbereitung ist nicht nur Theorie, sondern gelebte Praxis.
Mentale Vorbereitung
Neben Vorräten und Technik ist die innere Haltung entscheidend. Menschen mit Handicap wissen oft besser als andere, wie man mit Einschränkungen lebt und improvisiert. Diese Stärke ist ein Vorteil in Krisenzeiten.
Wichtig ist jedoch, das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. Übungen, kleine Notfalltests im Alltag, Gespräche mit Angehörigen – all das nimmt Angst und macht sicherer.
Community as the key
Barrierefreies Prepping ist keine Einzelleistung. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Angehörige, Nachbarn, Freunde, Hilfsorganisationen – sie alle können dazu beitragen, dass im Ernstfall niemand vergessen wird.
Manchmal reicht schon ein einfaches Gespräch: „Wenn hier der Strom ausfällt, könntest du mir helfen, die Rollstuhlrampe freizumachen?“ Solche Absprachen sind oft wichtiger als die schönste Ausrüstung.
Fazit: Jeder kann vorbereitet sein
Barrierefreie Krisenvorsorge gibt Sicherheit und Selbstvertrauen. Sie macht aus Abhängigkeit Handlungsfähigkeit. Und sie zeigt, dass Prepping kein exklusiver Club für besonders fitte Menschen ist, sondern ein Konzept für alle.
Am Ende geht es darum, die eigenen Stärken zu kennen, die richtigen Hilfsmittel zu haben und im entscheidenden Moment nicht allein zu sein. Wer das schafft, ist vorbereitet – unabhängig von körperlichen Grenzen.


