Stell dir vor, du bist draußen unterwegs, vielleicht auf einer mehrtägigen Tour, vielleicht in einer echten Notlage. Einer aus der Gruppe verstaucht sich den Knöchel oder verletzt sich ernsthafter. Er kann nicht mehr laufen, aber ihr müsst weiter – sei es, um zurück in die Zivilisation zu gelangen oder schlicht einen sicheren Platz zu erreichen. Genau in solchen Momenten wird klar, wie lebenswichtig eine improvisierte Tragehilfe sein kann.
Es ist ein Unterschied, ob man Verletzte mühsam auf den Armen durch unwegsames Gelände schleppt oder ob man ein System baut, das das Gewicht verteilt und den Transport erleichtert. Es geht nicht um Komfort. Es geht um Effizienz, Sicherheit und oft auch darum, die eigene Kraft nicht zu schnell zu erschöpfen.
Warum eine improvisierte Trage so wichtig sein kann
Eine improvisierte Tragehilfe ist mehr als nur ein Hilfsmittel. Sie kann über Stunden hinweg den Unterschied machen. Wer schon einmal versucht hat, einen Erwachsenen nur ein paar hundert Meter auf den Armen zu tragen, weiß, wie schnell die Muskeln brennen.
Dazu kommt: Verletzte brauchen Stabilität. Unkontrolliertes Heben kann Schmerzen verschlimmern oder zusätzliche Schäden verursachen. Eine Trage schafft Struktur – sie verteilt das Gewicht, schützt die verletzte Person und entlastet die Helfenden.
Natürlich ersetzt sie keine professionelle Rettungstrage, wie sie Bergwachten oder Sanitäter nutzen. Aber in der Wildnis, bei einem Blackout oder in einem Szenario, in dem keine Hilfe in Sicht ist, zählt, was man mit einfachen Mitteln schafft.
Grundprinzipien beim Bau einer Tragehilfe
Bevor wir in die Details gehen, lohnt es sich, ein paar Grundsätze zu verinnerlichen:
- Stabilität vor Komfort. Die Konstruktion muss sicher sein. Ein zusammenbrechendes Provisorium gefährdet beide Seiten.
- Material klug wählen. Nicht alles eignet sich – brüchiges Holz oder zu dünne Stoffe reißen schnell.
- Gewicht verteilen. Je mehr Schultern und Hände die Last tragen, desto länger hält die Gruppe durch.
- An den Verletzten denken. Bequemlichkeit ist zweitrangig, aber Druckstellen, verdrehte Gliedmaßen oder unruhige Lagerung können gefährlich sein.
Materialien, die sich eignen
Improvisieren bedeutet, das zu nutzen, was gerade da ist. Überraschend viele Alltagsgegenstände lassen sich zweckentfremden.
Typische Materialien:
- Stöcke oder Äste: Möglichst stabil, gerade und etwa armlang.
- Jacken oder Hemden: Durch die Ärmel über zwei Stöcke gezogen, entsteht eine Art Liegefläche.
- Rucksäcke: Zwei nebeneinander gespannte Rucksäcke ergeben mit Gurten eine Auflage.
- Seile, Paracord, Gürtel: Um Stöcke miteinander zu verbinden oder Stoff zu fixieren.
- Planen oder Zeltbahnen: Perfekt, um eine Fläche zwischen Stöcken zu schaffen.
Varianten improvisierter Tragehilfen
Es gibt mehrere erprobte Methoden, eine improvisierte Trage zu bauen. Manche sind aufwendiger, andere erstaunlich simpel.
1. Die Jacken-Trage
Eine der bekanntesten Varianten.
- Zwei stabile Stöcke (etwa 2 m lang) parallel auf den Boden legen.
- Zwei bis drei Jacken aufknöpfen, die Ärmel über die Stöcke stülpen.
- Jacken schließen.
Die Stoffflächen bilden die Liegefläche, die Stöcke geben Stabilität. Wichtig: dickere Jacken sind besser, Hemden können reißen.
2. Die Rucksack-Trage
Besonders praktisch, wenn alle in der Gruppe Rucksäcke tragen.
- Zwei Rucksäcke so nebeneinanderlegen, dass die Schultergurte nach außen zeigen.
- Gurte über Kreuz verbinden, sodass eine „Liegefläche“ entsteht.
- Stöcke oder Stangen durch die Gurte schieben, um Stabilität zu erhöhen.
Nicht so bequem wie die Jacken-Trage, aber schnell gebaut.
3. Die Planen-Trage
Eine Zeltbahn, ein Poncho oder eine große Plane wird zwischen zwei Stöcke gespannt.
- Plane längs umschlagen, sodass die Stöcke in den Rändern liegen.
- Mit Seilen oder Knoten fixieren.
Diese Variante ist stabil und bietet eine relativ große Liegefläche.
Vergleich der Varianten
| Methode | Vorteile | Nachteile |
| Jacken-Trage | Einfach, ohne Extra-Material | Stoff kann reißen |
| Rucksack-Trage | Sehr schnell gebaut | Weniger bequem für Verletzte |
| Planen-Trage | Stabil, gute Fläche | Plane nicht immer verfügbar |
Wenn kein Material zur Verfügung steht
Manchmal gibt es keine Plane, keine Jacken, keine Seile. Dann heißt es, kreativ zu werden.
- Feuerwehrgriff (Rettungsgriff): Eine Person trägt die andere auf dem Rücken, mit den Armen unter den Beinen verschränkt.
- Zwei-Personen-Stuhl: Zwei Helfer verschränken ihre Arme, der Verletzte setzt sich darauf.
- Improvisierte Schlinge: Gürtel oder Seil um den Körper des Verletzten legen, zum Ziehen nutzen.
Diese Methoden sind anstrengend, aber besser als gar nichts.
Schritt-für-Schritt: Bau einer Jacken-Trage
Damit es konkret wird, hier eine kleine Anleitung für die klassische Variante:
- Zwei stabile Äste suchen, ungefähr so dick wie der Unterarm, Länge ca. zwei Meter.
- Jacken oder Hemden vorbereiten, Knöpfe oder Reißverschlüsse öffnen.
- Ärmel durch die Stöcke ziehen, sodass diese wie Schienen wirken.
- Jacken wieder schließen, um die Fläche zu spannen.
- Prüfen, ob alles fest sitzt.
- Verletzte Person vorsichtig auf die Trage heben, möglichst zu zweit oder zu dritt.
Worauf man achten sollte
Ein improvisierter Transport ist immer riskant. Sicherheit und Umsicht stehen an erster Stelle.
- Langsam gehen. Jede Erschütterung bedeutet Stress für den Verletzten.
- Pausen einlegen. Auch Helfer brauchen Atempausen.
- Auf Haltung achten. Den Verletzten so lagern, dass verletzte Gliedmaßen nicht zusätzlich belastet werden.
- An Kommunikation denken. Die tragenden Personen sollten sich absprechen, bevor sie losgehen oder die Richtung wechseln.
Kleine Liste: Dinge, die man vorsorglich einpacken kann
Auch wenn man improvisieren können sollte – Vorbereitung schadet nie. Wer regelmäßig draußen unterwegs ist, kann mit wenigen Gegenständen viel erreichen:
- Paracord oder leichtes Seil (nimmt kaum Platz weg)
- Ein Poncho oder eine leichte Plane
- Stabile Handschuhe (schützen beim Tragen)
- Multitool oder Messer
Persönliche Erfahrung
Ich erinnere mich an eine Übung, bei der wir mit minimaler Ausrüstung einen Verletzten mehrere hundert Meter tragen mussten. Anfangs lachten einige – „Das wird schon gehen“. Nach fünf Minuten sah es anders aus. Arme zitterten, Rücken brannten. Erst als wir die Jacken-Trage bauten, wurde es machbar. Sie war nicht bequem, aber sie hielt. Diese Erfahrung hat mir gezeigt: Improvisierte Hilfsmittel sind nicht Luxus, sondern pure Notwendigkeit.
Psychologischer Aspekt
Eine improvisierte Trage ist mehr als nur ein technisches Hilfsmittel. Sie zeigt dem Verletzten: „Du bist nicht allein, wir kümmern uns.“ Dieses Gefühl kann entscheidend sein, wenn Panik oder Verzweiflung drohen. Gleichzeitig stärkt sie das Team – jeder hat eine Aufgabe, jeder trägt Verantwortung.
Fazit: Wissen ist die beste Ausrüstung
Eine improvisierte Trage zu bauen, ist keine Hexerei. Es erfordert keine Hightech-Gadgets, sondern nur das Wissen, wie man vorhandene Dinge kombiniert. Stöcke, Jacken, Seile – schon entsteht eine Lösung, die Leben retten kann.
Das Entscheidende ist, nicht zu zögern. Wer die Prinzipien kennt, kann handeln, statt hilflos daneben zu stehen. Und genau das macht den Unterschied zwischen einem gefährlichen Stillstand und einem sicheren Weiterkommen.
Denn am Ende zählt nicht, ob die Trage hübsch aussieht. Sie muss nur eines: halten.


